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Voll, Halb, Fett!!!

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Martin Hülle hat sich in meinem Blog ja mal ausgiebig über die Vorteile von Crop Kameras gegenüber normalen 35mm Kameras ausgesprochen. Ein Sturm der Begeisterung machte sich in den Kommentaren breit. Es gab viele positive Rückmeldungen zu den Argumenten von Martin.

Keine Frage, die Anzahl der verkauften Cropkameras ist enorm. Die Cropkameras sind günstig, sie sind leicht, haben eine anständige Qualität. Ich würde schätzen, dass es viel mehr digitale Spiegelreflexkameras mit Cropfaktor gibt, als herkömmliche 35mm Spiegelreflexkameras ohne Cropfaktor. Kein Wunder, dass bei einer solchen Lobeshymne so viele mitjubeln.

Warum denn nur fotografieren die meisten Profis mit herkömmlichen 35mm digitalen Spiegelreflexkameras ohne Cropfaktor?

Da muss es ja irgendwie Gründe für geben?!

Architektur und Geschichte des 35mm Systems

Einer der Hauptgründe ist sicherlich der, dass die Kamerasysteme rund um die 35mm Entwicklungslinie und vor allen Dingen die Objektive auf eine bestimmte Architektur ausgerichtet sind. 35mm ist quasi ein altes gewachsenes System, dass über die Jahre immer weiter optimiert wurde. Die Objektive wurden so entwickelt, dass sie an einer herkömmliche 35mm Spiegelreflexkameras eine optimale Qualität liefern. Objektive haben bestimmte Charakteristiken und werden zu bestimmten Zwecken eingekauft und eingesetzt. Dies gilt vor allen Dingen für die qualitativ hochwertigen Objektive. Das Verhältnis von Blende, Tiefenschärfe und Bildqualität ist für einen bestimmten Bildausschnitt ausgelegt. So wird ein 85mm 1.2 zum hervorragendem Portraitobjektiv und ein 17-40mm 4.0 zu einem grandios, vielseitigen Landschafts- Weitwinkelobjektiv.

In Fotoforen wird in Diskussionen über den Einsatz von Objektiven der 35mm Entwicklungslinie an Cropkameras dann meistens nur das Argument angebracht: Man kommt dichter ran, man habe eher eine Teleskopwirkung. Klingt auf den ersten Blick doch klasse, oder? Leider ist das nur einseitig argumentiert.

Wenn man einen gleichwertigen Bildausschnitt an einer Cropkamera haben will, wie man ihn mit einem bestimmten Objektiv an einer herkömmlichen 35mm Spiegelreflexkamera hat, dann ändern sich die gestalterischen Möglichkeiten mit ein und demselben Objektiv, weil man für den gleichwertigen Bildausschnitt nicht eine gleichwertige Tiefenschärfe hinbekommt. Der Fokuspunkt läge um einiges weiter hinten und somit könne man bei einer gleichen Blende niemals das gleiche Bokeh bzw. die gleiche Unschärfe erzeugen. Das ist auch der Grund, warum man Portraitfotos, die mit Cropkameras gemacht wurden, häufig schon an der Bildwirkung erkennen kann. Gerade Anfänger versuchen die gleiche Schärfe, das gleiche Bokeh oder die gleiche Tiefenschärfe hinzubekommen, wie der Fotobuddy mit der Canon 5D und gehen mit dem gleichen Objektiv viel zu dicht ran.

Eines der Hauptproblem von Cropkameras ist also, dass man dazu neigt, viel zu dicht ranzugehen. Das führt zu einer, so finde ich jedenfalls, klaustrophobischen Bildwirkung, die künstlerisch nicht immer erwünscht sein kann.

Dichter rangehen, das hat auch Auswirkungen auf die räumliche Wirkung von Gesichtern. Gerade bei 50mm Objektiven blähen sich Gesichter schnell auf, so dass sie leicht adipös oder gar wie Medizinbälle wirken.

Und wer meint, durch eine andere Brennweite diesem Problem begegnen zu können, der irrt leider. Portraitfotos von einer 50mm Brennweite an einer herkömmlichen 35mm Spiegelreflexkamera und einer 85mm- Cropkamera- Kombo ergeben bei einem gleichen Bildausschnitt andere, völlig unterschiedliche Fotos, weil sie mit anderer Technik aufgenommen wurden.

Und auch der Aspekt der finanziellen Ersparnis bei Cropkameras relativiert sich. Für eine ähnliche Bildwirkung der Kombo 35mm Kamera/ 50mm 1.8 Objektiv müsste man schon auf die Kombo Cropkamera/ 35mm f1.4 oder f2.8 setzen und so ein Objektiv dürfte um einiges teurer sein, als das 50mm 1.8.

Ach, und wie war das noch mal mit der Gewichtsersparnis? Auch diese dürfte sich in diesem Beispiel relativieren. 35mm f1.4 oder f2.0 dürfte einiges mehr an Glas beherbergen und somit schwerer sein.

Kommen wir mal zur Landschaftsfotografie

Es macht einen Unterschied, ob ich das grandiose Canon 17-40 L bei 17mm nutze oder bei gecropten17mm. Auch hier dürfte das Tiefenschärfeverhältnis und die Verzerrung von Objekten im Vordergrund ähnlich verschoben sein, wie bei meinem oben genanntem Portraitbeispiel.
Welche Festbrennweite sollte die Standard 24mm Brennweite für Landschaftsfotografie an einer Cropkamera ersetzen? Die 15mm oder die 20mm? Würden an dieser 15mm Festbrennweite noch die gleichen Filter passen, die man auch an 24mm anschrauben könnte? Natürlich nicht!

Gewicht=Qualität!

Die Einsparung von Gewicht wird sich auf Kosten der Qualität erkauft. Natürlich kann man sich sagen: Die Qualität reicht mir, da komme ich mit aus. Und gestalterische Möglichkeiten machen viel mehr das gute Foto aus.

Eines kann ich Dir aber sicher sagen: Die meisten Kunden suchen qualitative Unterschiede auch in der technischen Qualität. Und Qualität ist immer ein Grund, einen höheren Preis zu verlangen. Ambitionierte Hobbyfotografen, die vielleicht irgendwann mal von der Fotografie leben möchten, sollten deshalb die Sache mit dem Cropfaktor zu Ende denken.

Natürlich kann man mit Cropkameras einmalige Fotos machen

Wer mit einem leichtgewichtigen Cropfaktorkamerasystem ins norwegische Fjell wandert und damit tolle Fotos nach Hause bringt, wird natürlich besser darstehen, als Olaf Bathke, der mit seiner zig Kilo schweren Fotoausrüstung kaum 300 Höhenmeter bewältigen kann und keine tollen Fotos im Fjell schießt. (BTW: Welcome Home Martin! 😉 )

Wer allerdings nicht jedes Pfund wegorganisieren muss, der sollte schon einigermaßen kreativ arbeiten, damit er in Bezug auf Mitbewerber mit besseren Kamerasystemen mithalten kann.

Und wer in seiner Freizeit fotografiert, der sollte sich so oder so über das freuen, was er hat und damit an die frische Luft gehen und nicht seine Zeit mit dem Lesen meiner Blogartikeln vertrödeln. 😉

Abschließend jetzt noch mal ein kleines Anekdötchen zu dem Thema Gewichtsersparnis. Auch ich versuche natürlich, wo ich nur kann, Gewicht einzusparen. Als ich vor einigen Jahren mal einem guten Freund erklärt hatte, wie ich 800g Kameraausrüstung durch Optimierung einsparte, da lachte der nur: „Wenn ich mir Deinen Bauch so ansehe, dann könnte ich mir vorstellen, dass es anderswo noch erheblich größeres Einsparungspotential gibt!“ Wo er Recht hatte, da hatte er Recht.




13 Comments

  1. Pingback: Fotografische Entwicklung und warum auch 1,3 nicht Voll ist… - www.Carsten-Wiemann.de :: Blog

  2. 2010/03/31 at 12:08

    Martin Hülle - Blog

    Antworten

    “Wer mit einem leichtgewichtigen Cropfaktorkamerasystem ins norwegische Fjell wandert und damit tolle Fotos nach Hause bringt, wird natürlich besser darstehen, als Olaf Bathke, der mit seiner zig Kilo schweren Fotoausrüstung kaum 300 Höhenmeter bewältigen kann und keine tollen Fotos im Fjell schießt. (BTW: Welcome Home Martin! 😉 )”

    Hier sind sie nun – neue Fotos aus dem Fjell: http://www.martin-huelle.de/blog/?p=502

  3. 2010/03/26 at 14:27

    Daniel

    Antworten

    Wir schreiben jetzt bitte alle mindestens 500x mal “Schärfentiefe” an die Tafel, vorher gibt es kein MIttagessen!

    Grins,
    Daniel

  4. 2010/03/25 at 21:55

    Einauge

    Antworten

    Warum denn nur fotografieren die meisten Profis mit herkömmlichen 35mm digitalen Spiegelreflexkameras ohne Cropfaktor?

    Möglicherweise deshalb, weil sie aus Prinzip das High-End-Equipment nutzen (müssen), weil sie sonst von den Auftraggebern nicht Ernst genommen werden.

    “Verdienen Sie so wenig, dass Sie sich keine ordentliche Ausrüstung kaufen können?”

  5. 2010/03/25 at 12:47

    Christoph

    Antworten

    Ich möchte anmerken, dass viele der oben genannten Probleme bei Four-Thirds nicht existieren *duckundweg*

    – Mehr Glas z.B. – 25mm (50mm bei 35mm) ist um einiges kleiner bei 2.8 Blende.

    Aber es stimmt, was den Preis angeht. Das 7-14mm kostet um und bei 1500 Euro. Es wäre ein 14-28mm bei 35mm, was sicherlich günstiger wäre. Oder das 300-800mm 5.6 von Sigma kostet 7500 bis 8000 Euro … da bin ich fast vom Stuhl gefallen …

  6. 2010/03/24 at 18:11

    Hauke

    Antworten

    “Wer mit einem leichtgewichtigen Cropfaktorkamerasystem ins norwegische Fjell wandert und damit tolle Fotos nach Hause bringt, wird natürlich besser darstehen, als Olaf Bathke, der mit seiner zig Kilo schweren Fotoausrüstung kaum 300 Höhenmeter bewältigen kann “..

    *schmunzel*

    Gruss,
    Hauke
    der mit 25 Kilo uebers Fjell robbt. 15 Kilo ‘Normalgeraffel” und 10 Kilo Fotokram. 35mm.

  7. 2010/03/22 at 19:47

    Sam

    Antworten

    @Olaf, oh ja, ein Ratespiel. Und zu gewinnen gibt es das Fachbuch “Die Kohlsuppendiät” 🙂

  8. 2010/03/22 at 18:30

    Carsten

    Antworten

    Uiuiui, wunder Punkt… abspecken… wenn ich mein Fotogerümpel mit mir verrechne, dann dürfte ich im Vergleich letztes/dieses Jahr nur noch die 350D mit Kit mitschleppen… 2te Speicherkarte wird schon schwierig 🙁 Aber ich arbeite dran.

    Welches Problem mich ehr beschäftigt, ich bin vor 3 Jahren relativ günstig an eine 1D Mk3 gekommen, wünsche mir aber irgendwie immer noch 35mm. Auf der anderen Seite fühlt sich die 1D einfach toll und unzerstörbar an, auch der AF an meiner sitzt perfekt. Was mich wieder stört ist die Auffälligkeit der 1D, allerdings würde mit der Hochformatauslöser an der 5Dmk2 wieder fehlen, da könnte ich ihn ja duch einen BG nachrüsten und wenn nicht ist die 5D relativ unauffällig.

    Es halten sich einfach pros und cons die Wage, daher werde ich mich wohl solange nicht entscheiden können, bis die 1D nix mehr wert ist 🙁

    Hatte neulich mit einem guten Freund die Diskussion, ob man sieht, wenn ein Foto mit Vollformat aufgenommen wurde, ich finde schon, er sagt nein… schwierig zu beantworten.

    1. Benutzer-Avatar
      2010/03/22 at 19:35

      Olaf Bathke

      Antworten

      @Carsten: Ich meine das sehr häufig sehen zu können, z.B. an Eierköpfen und gedrungenen Stimmungen, aber auch an fehlender Weite.
      @Guido: Wenn Du z.B. mit einer 50 1.8 arbeitest und ein Crop und eine NoCrop hast, dann mußt Du für eine bestimmte Tiefenschärfe und ein bestimmtes Bokeh eine bestimmte Distanz zum Motiv haben. Cropkamera- Nutzer neigen meiner Meinung dazu dieses Tiefenschärfengefühl produzieren zu wollen und gehen deshalb dichter ran, als es für das Objektiv gut ist. Natürlich werden Sie das aufgrund des Bildausschnittes nicht hin bekommen. Das Ergebnis sind gedrungene Bilder mit Eierköpfen. Das 17-40 kann man definitiv nur gut mit f8 auch noch ein bisschen mit f11 benutzen, alles andere ist nicht wirklich gut bzw. fällt weit ab. Habe vor einigen Wochen das 24 1.4 bekommen, werde da sicherlich mal im Laufe des Jahres drüber was schreiben. So stay tuned…
      @Sam: Du hast mich auf die Idee für einen neuen Blogartikel gebracht: Abstimmung: “Ist das der Bathke Bauche?” “ja oder nein?” 😉

  9. 2010/03/22 at 17:00

    Guido

    Antworten

    »Eines der Hauptproblem von Cropkameras ist also, dass man dazu neigt, viel zu dicht ranzugehen.«

    Der Satz erschließt sich mir nicht ganz? Oder ist der ausschließlich im Kontext der Tiefenschärfe und eben primär bei Portraitfotografie gemeint? Der sogenannte “Brennweitenverlängerungsfaktor” an APS-C-Kameras führt ja generell dazu, dass man vom Motiv weiter weg bleibt, um den selben Bildausschnitt wie bei gleicher Brennweite an Vollformat einzufangen.

    Zum Thema Gewicht merkst Du richtig an, dass mehr Lichtstärke in der Regel mehr wiegt. Du sagst aber nicht, das für APS-C gebaute Objektive mit deutlich kleinerem Durchmesser gebaut werden können und somit der Gewichtsnachteil durch eine ggf. höhere Lichtstärke mehr als ausgeglichen wird. Das exzellente EF-S 17-55/2.8 IS USM lässt sich beispielsweise ganz gut mit dem EF 24-105/4 ISM an Vollformat vergleichen und ist etwas leichter.

    Zu deinem geliebten 17-40 heißt es bei Photozone z.B. “The center and even the border performance is very high here but there isn’t really anything left deserving the word “resolution” in the extreme corners at f/4 and f/5.6. ” Vorteil APS-C-Kamera: Die nutzt die Randbereiche eines Vollformatobjektives gar nicht, sondern nur die generell besseren mittleren Bereiche.

    Ich denke beides hat seine Berechtigung und APS-C ist mitnichten per se ein Amateur-Werkzeug. Es kommt eher darauf an, was man primär fotografiert. Wenn man für Sport und Wildlife viel Brennweite braucht, ist APS-C beispielsweise ein Segen. Brennweiten bis 400-500mm sind noch ansatzweise bezahlbar. An APS-C entspricht das 640-800mm. Für echte 800mm darf man bei Canon dagegen 11.000 EUR anlegen.

    BTW: Der Artikel bekommt bestimmt viele Kommentare 🙂

  10. 2010/03/22 at 16:50

    Sam

    Antworten

    Mensch Olaf, Dir muss doch klar sein, dass dieser Artikel vor allem eine Frage aufwirft:

    Ist das Dein Bauch auf dem Bild? 🙂

  11. 2010/03/22 at 14:00

    Martin Hülle - Blog

    Antworten

    Da ich nicht über so einen angesprochenen Bauch verfüge, und somit schon gut Gewicht einspare, sollte ich vielleicht doch einmal über den Umstieg auf das volle (und schwerere) Format nachdenken 🙂

    Doch solange ich schwere Schlitten durch norwegische Berge ziehe, ist mir das DX-Format noch sehr angenehm. Apropos Fjell: zu meiner letzten Wintertour gibt es nun ein Tagebuch in meinem Blog (http://www.martin-huelle.de/blog/?p=466) – eine Bildergalerie wird auch noch folgen. Jaja, wieder einmal Crop-Bilder …

    1. Benutzer-Avatar
      2010/03/22 at 14:15

      Olaf Bathke

      Antworten

      @Martin: Und ich bin gerade dabei abzunehmen, damit ich das neue 24 1,4 mitnehmen kann… 😉 6 Kilo habe ich schon abgespeckt 5 müssen noch… 😉

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