Hochzeits-Fotografie

Wie ich auf Google Plus 1.800.000 Follower generiert habe!

Olaf-Bathke-Google-Plus

Als Fotograf aus einer kleinen, unbedeutenden Stadt wunderte ich mich im Spätsommer 2011 nach meiner Rückkehr von einer Fotoreise in Irland sehr. Innerhalb von wenigen Wochen war meine Gefolgschaft auf dem gerade gegründeten Netzwerk mit dem Namen Google Plus exorbitant nach oben geschnellt.

Der Adrenalinstoß fühlte sich großartig an. Als Fotograf habe ich schon immer an die Vorteile von Vernetzung geglaubt und diese propagiert. Deshalb wurde ich sofort zum glühenden Fürsprecher dieses neuen Netzwerkes.

Google Plus war mehr als nur ein neues System, Kontakte in Netzwerk- Circles zu sortieren. Gerade die visuellen Möglichkeiten (Fotos und Talk) waren zu dem damaligen Zeitpunkt besonders. Kreative bekamen eine Menge geboten.

Und so kam es auch, daß vor allen Dingen Kreative aufblüten. Ich nutzte mein Netzwerk für Talkrunden, die ich aus heutiger Sicht etwas putzig finde. Die Gespräche sind aber immer noch gerne gesehen und ich werde heute noch darauf angesprochen.

Meine Followerzahlen waren absolut unverhältnismäßig gemessen an meiner tatsächlichen sozialen Leistung. Ich mußte schmunzeln, als damals in einer Auflistung mit den am meisten gefolgten, deutschsprachigen G+ Followern die üblichen Platzhirsche (Sascha Lobo und Co.) gerade mal fünfstellige Ziffern aufwiesen. Es war ein Hype, der mir sehr gefiel!

„Ich bin in den Top 100 der am meisten gefolgten Menschen auf der Welt, knapp hinter Britney Spears und dem Dalai Lama!“ Diese skurrile Bemerkung habe ich gerne von mir gegeben. Und die Nennung von fast zwei Millionen Follower öffnete mir an verschiedensten Stellen Türen.

Aber wie war es möglich, so viel globale Aufmerksamkeit zu erhalten ?

Um es noch einmal allen deutlich zu machen:

Ich lebe in Kiel!

Meine Mutter hat mir früher immer gesagt, dass ich mir bei Problemen in der Welt keine Sorgen machen muß. Kiel ist so unbedeutend, dass hier Schlechtes viel später ankommt oder schon vorher die Lust verliert, Kiel überhaupt zu erreichen. Ganz so, wie Heinrich Böll in seinem Buch „Irisches Tagebuch“ über Regenwolken schrieb. Die sich nach einer langen Anreise über den Atlantik beim armseligen Anblick der irischen Küste, schon vorher erleichtern mussten.

Warum ich?

Die Ursache für meine Follower Explosion war die G+ Funktion „Recommended User“. Ich wurde als solcher geflaggt und jeder Neuanmeldung auf G+ wurde angeraten, mir zu folgen. Es war auch die Geburtsstunde von Android und Google Smartphones! Eine der ersten Anzeigen bei der Neueinrichtung eines neuen Google Phones war mein Foto: „Hey, Du solltest Olaf Bathke aus Kiel folgen!“

Ich kannte die Community damals gut und meine beobachtet zu haben, dass in jedem europäischen Land genau zwei Personen exorbitante Followerzahlen generierten. Viele dieser Folgschaftsempfehlungen waren Fotografen oder andere Kreative, die, ganz im Vertrauen, viel Langweiliges ablieferten.

Warum ich als Fotograf geflaggt wurde, kann ich nur raten!?

Vielleicht lag es an einem auffälligen Foto, dass ich hochgeladen hatte? Sicherlich hatte ich mir damals diesen Hype in keinerlei Weise verdient.

Social Media braucht Ikonen, denen man folgen kann. Ohne Ziel weiß keiner, wo er hin soll. Die Anzahl von Likes und Followern sind essentiell für das Konditionieren und somit dem Dranbleiben. Das Diktat von Algorithmen konditioniert heute an so vielen virtuellen Orten und bindet Unmengen an Zeit.

Auf Google Plus wurden damals Social Media Karrieren begründet. Jedem Fotograf dürfte Trey Ratcliff bekannt sein, der es mit einem mittelmäßigen Vortrag sogar in das Google Plex schaffte. (BTW: Ich finde Trey grandios!)

Man hat sich allerdings damals gegenseitig beleckt und gefördert. An mir ging glücklicher Weise der Kelch vorbei, von Google die Datenbrille Google Glass zugeschickt zu bekommen. Ich hätte sie mir sicherlich aufgesetzt und mich als Schaufensterpuppe mißbrauchen lassen. Einigen Mittelpunktstrebern ist es heute sicherlich peinlich, borgähnliche Fotos von sich im Netz zu finden. Amüsant finde ich den Gedanken, wenn diese Fotografen mit Google und seinen Terms of Services über die Löschung dieser Fotos diskutieren müßten.

Tatsächlich haben mir die zahlreichen Follower aus Indien, China, Russland, Südamerika, Finnland und anderer Nationalitäten nicht bei meiner tatsächlichen Arbeit weitergeholfen. Den Lebensunterhalt verdiene ich als Fotograf in dem wunderschönen Kiel. Mir wurde deutlich, dass ich sehr viel Zeit verschwendete. Zeit, die nicht für andere schöne Dinge zur Verfügung stand. Auch wurden mir die Suchtaspekte deutlich, die derartige Netzwerke haben können.

Auslöser für meine Abkehr waren aber Dinge, die man Google zuschreiben muss.

Der Fotograf und sein Produkt

Damals kamen unter Fotografen die ersten Diskussionen auf, wie man die Terms of Services (ToS) bewerten soll, wenn man mit dem Verkauf von Fotos oder Bildrechten Geschäfte macht und eben diese Rechte an einen Datenkraken abgibt, der heute nicht mehr sagt „Don‘t be evil!“, sondern „Do the right thing!“. Für mich sind derartige ToS ein absolutes NoGo! Warum sollte ich Fotos auf Google Plus posten, wenn der Konzern danach in seinem eigenen Dunstkreis damit machen kann, was er möchte. Rein theoretisch ist es auch heute noch möglich, dass Google alle auf G+ hochgeladenen Fotos für die eigenen Ads als Werbebanner verkaufen könnte.

Interessanterweise wurde ich, trotz meiner Weigerung eigene Arbeiten zu posten, noch über Jahre exponential steigend verfolgt. Irgendwann muss jemand oder etwas meine Flag herausgenommen haben und die Followerzahlen nahmen langsam ab. Verdient!

Ich glaube, Google Plus hätte wirklich etwas Großes werden können, wenn damals ein Zeichen gesetzt und deutlich erklärt worden wäre:

„Eure Inhalte gehören Euch und nicht uns!“(Uns=G!)

Leider ist es den G+ Verantwortlichen nicht gelungen, etwas Einzigartiges zu schaffen. An zu vielen Stellen wurde einfach nur kopiert. Gerade gute kreative Arbeit lebt nicht von dem blinden Kopieren anderer Ideen. Sie lebt von Inspiration, Gefühlen, einem guten Zusammenwirken und von so vielen anderen Faktoren, die auf G+ nicht zu finden sind. Auf jeden Fall lebt Kreativität nicht aufgrund des Konditionierens bzw. Süchtigmachens oder durch das blinden Verfolgen von Zahlen. Zwänge und Süchte ersticken jede Kreativität!

Die Kuh wurde dann gemolken

Wahrscheinlich ist das auch den G+ Verantwortlichen deutlich geworden und es wurde überlegt, wie man die Kuh noch melken kann, bevor sie im April 2019 abgeschaltet wird. So kam es wahrscheinlich dazu, dass die User zum Trainieren des Bildersuche- Algorithmus für die Erkennung von Bildobjekten mißbraucht wurden. Dies würde auf jeden Fall die Neuausrichtung des Visuellen in Community Kategorien und Tags erklären.

Zu dem Zeitpunkt hat eigentlich schon nichts mehr gelebt und die User haben auch nur noch geschaut, wie sie die Kuh melken können.

Meine letzte Inititative war die Gründung einer Gruppe für den Austausch über die Arbeit als Hochzeitsfotograf in Deutschland. Die User nutzten diese Gruppe durch das platte Posten von Keywords für das Schönigen ihres Google Rankings, anstatt sich wirklich über die Arbeit als Hochzeitsfotograf auszutauschen. Irgendwann war ich es Leid, die Spambeiträge zu flaggen und den Googlealgorythmus in der Art eines Tamagotchies auf diese Weise zu füttern.

Ich für meinen Teil habe mich dann entschieden, diesen Strukturen nicht mehr zu folgen und mich wieder auf mein eigentliches Schaffen zu konzentrieren. (Weit vor dem Datenskandal, den ich hier nicht thematisieren möchte)

Dieser Blogpost ist auch der Abschiedsgruß an meine Follower, die hier noch mitlesen!

Wie schreibt man heute gerne in Kommentaren:

„Schade!“

Das hätte was Großes werden können! Schauen wir doch mal, wer es in der Zukunft besser macht.

Bis dahin können wir uns ja auf Twitter folgen.




2 Comments

  1. 2019/03/21 at 13:38

    Achim Meurer

    Antworten

    Hi Olaf,

    ein sehr interessante Geschichte. Ich hatte mich schon immer gefragt, wie Du das geschafft hast 😉 Und eben noch spannender, was es Dir gebracht hat. Und wenn ich das richtig verstanden habe – nichts. Und genau das ist die generelle Überlegung, bei all den Dingen, die man heutzutage so online macht. Bringt es mir wirklich was für meinen Job… Ich bin wieder zurück zum bloggen gekommen. Mein Blog liegt auf meinem Server und ich habe die Kontrolle über meine Daten. Das gefällt mir grundsätzlich viel besser und macht in meinen Augen viel mehr Sinn.

    Viele Grüße
    Achim

    1. 2019/03/21 at 14:26

      Olaf Bathke

      Antworten

      Hallo Achim, Danke für die Rückmeldung.Es ist eine interessante Geschichte, wie auch ich finde, für die sich allerdings kaum einer interessiert. 🙂 Vielleicht fehlt dem Artikel auch nur die Verbreitung und es liest keiner mehr meinen Social Media Kram… Happy Blogging… Olaf

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