Nur ein Knipser
Gastbeitrag von Inga Wocker:
Ich bin in einer Familie großgeworden, wo der einzig “wirkliche” Fotograf mein Vater war, der Rest, also meine Mutter, Schwester und ich waren “Knipser”. Obwohl ich die Bilder meines Vaters faszinierend fand, wusste ich, dass meine Art zu fotografieren anders aussah. Ich wollte mich nicht wie er mit einer schweren Fototasche abschleppen, diverse Objektive, Kameras, Filme, Filter und was weiss ich noch was alles mit dabeihaben mu?ssen, und im Urlaub dauerte es mir definitiv zu lange, bis das Bild fertig war und ich mein eingefrorenes Lächeln wieder ablegen durfte.
Als Kind ließ ich mich oft von den Motiven mitreißen, im Landheim verknipste ich mal einen ganzen Film im Schwarzwildpark, die meisten verwackelt und kaum was zu erkennen, Tiere sind ja ohnehin ein Kapitel fu?r sich, selbst meine Mutter schu?ttelte nur tadelnd den Kopf daru?ber, denn zu der Zeit war Filmmaterial ja noch teuer und 24x verwackelte Rehe…
In der Mittelstufe machte ich dann bei der Foto-AG mit und lernte genau die Dinge, die bei meinem Vater immer soviel Zeit in Anspruch nahmen, Brennweiten, Tiefenschärfe, Objektivauswahl, Beleuchtung, Filmsorten, etc. und ich brauchte natu?rlich mindestens genauso lange fu?r ein Portrait meiner Klassenkameradin. Es war spannend endlich auch mal mit einer Spiegelreflexkamera und verschiedenen Objektiven zu fotografieren. Diese “Heiligtu?mer” durften wir Kinder daheim natu?rlich nicht mal anfassen, auch nicht, nachdem ich mir das Ru?stzeug in der Schule erworben hatte und quasi auch “fotografierte”. Doch es war tatsächlich nicht “meine” Kamera.
Ich hatte eine einfache Sucherkamera, bei der ich genau wusste, wann und von wo aus ich gute Bilder mit ihr machen konnte, die mir vertraut war und mit der ich auf Entdeckungstour ging. Landschaften waren schon bald mein Steckenpferd. Sobald also Sonne und blauer Himmel zusammenkamen, war ich unterwegs, im Schwarzwald gings einen eingefrorenen Wasserfall entlang, in Berlin entstanden Aufnahmen hinterm Charlottenburger Schloss, die Insel Mainau im Herbst war voller leuchtender Farben und in Hannover entlang der Leine warteten tausend Motive. Ich hatte nur wenig Ausschuss, da ich meine Minimalausru?stung einschätzen konnte und dementsprechende Motive entdeckte.
Seit ich hier auf meinem Hof lebe, geht es vor allem darum zu dokumentieren, was hier so vor sich geht. Wieder sind es die Tiere, die ich oft und gerne fotografiere. Inzwischen habe ich eine kleine Digitalkamera mit 8,2 MP und 10 Bildern Speicherkapazität, aber das genu?gt mir völlig. Toll ist die Umbesorgtheit, mit der ich jetzt morgens losziehen und eben 10 Bilder knipsen kann, denn anders als fru?her, kann ich sie einfach löschen, wenn die Kuh gerade den Kopf weggedreht oder der Esel zu schnell herangekommen ist. Und weil die Tiere hier leben, habe ich die Möglichkeit, es einfach nochmal zu versuchen.
Klar, ein Fotograf arbeitet anders, aber ich bin ja zum Glu?ck nur ein Knipser.
Inga Wocker fotografiert seit ihrer Kindheit hobbymäßig, hat einige kleine
Bildbändchen mit Fotos und Gedichten im Eigenverlag herausgebracht und
hat derzeit ihr Hofprojekt für Mensch, Tier und Natur im Fokus, näheres
unter www.patchworkhof.de.
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2009/12/15 at 12:31
Marcel
Den Bericht fand ich gerade interessant, gut geschrieben.
Besonders hervorzuheben finde ich die Tatsache, dass du zwar das Rüstzeug, wie du es schreibst, erlernt hast und nun weißt, warum dein Vater so lange braucht, du aber weiterhin mit einer kompakten knipst und dich nicht das SRL Fieber erreicht hat.
Dazu kommt noch der Punkt, dass du keine Speicherkarte nutzt sondern nur die 10 Fotos deiner Kamera verknipst. Damit setzt du dir selbst einen guten Rahmen. Finde ich absolut interessant!