Fotografieren in der Kälte
Gastartikel von Henning Wüst, Lappland:
Auch wenn es in “Good Old Germany” nicht ganz so winterlich wie hier im Hohen Norden ist, sind die potentiellen Probleme mit der Kälte im Winter doch dieselben.
Henning Wüst ist immer warm angezogen!
Mechanische Kameras sind relativ kälteunempfindlich. Bei Digitalkameras ist das leider nicht immer der Fall. Unsere Erfahrungen mit der Kälte und dem kalten Klima am Polarkreis habe ich für Dich zusammengestellt.
1. Das Kondensproblem
Nach einem längeren Einsatz draussen in der Kälte ist besondere Vorsicht beim Aufwärmen der Kamera angesagt. Denn beim Aufwärmen kondensiert die Luftfeuchtigkeit aus der wärmeren Umgebungsluft an der kälteren Kamera und am Objektiv.
Das kann sehr unangenehme Folgen haben. Das kondensierte Wasser kann als “Eispanzer” an der Kamera und auf den Linsen gefrieren. Noch unangenehmer wird es, wenn kondensierendes Wasser in die Kamera oder in das Objektiv eindringen. Besonders bei Zoomobjektiven kann das leicht geschehen, insbesondere wenn diese beim Temperaturwechsel ein- und ausgefahren werden. Das kann dann leicht dazu führen, dass sich die Kamera in einen Haufen Elektroschrott und das Objektiv in ein biologisch interesssantes Feuchtbiotop verwandeln!
Das behutsame Aufwärmen ist also das A und O. Die Kamera zum Aufwärmen unbedingt vor dem Betreten der wärmeren Räume (Haus) in ein geschlossenes Behältnis – geschlossene Plastiktüte reicht – packen und dann bitte gaaanz langsam auftauen. Und nicht gleich in die gute Stube neben die Heizung legen.
Ich lege die Kamera z. B. – wenn es draussen unter Null Grad hat und ich längere Zeit draussen oder unterwegs war – in der verschlossenen Fototasche immer erst für ein bis zwei Stunden ins schwach geheizte Treppenhaus. Danach darf die Fotoausrüstung dann richtig nach innen.
Zusatztipp: Oft muss es – z. B. bei Reportagen – mit dem Überspielen der Aufnahmen schnell gehen. Wenn Sie es also ganz eilig haben, nehmen Sie die Speicherkarte aus der Kamera bevor Sie die Kamera mit ins Haus nehmen. Gerade SD-Speicherkarten haben sich als ziemlich unempfindlich erwiesen (persönlich nutze ich diese Methode auch mit CF-Karten). Während sich die Kamera langsam im Treppenhaus aufwärmt, können Sie schon mit dem Kartenleser die Fotos von der Karte laden und mit der Arbeit beginnen.
Du solltest es übrigens unbedingt vermeiden, draussen bei Kälte versehentlich auf die Linse zu hauchen. Ist mir an Neujahr bei minus 20 Grad passiert. Die Linse ist sofort mit einer dünnen Eisschicht angefroren. Der Effekt sah zwar auf den Fotos gut aus. War aber trotzdem äusserst ärgerlich.
2. Das Akkuproblem
Die Sache mit der Stromversorgung ist bisweilen ein wirklich leidiges Thema. Gerade die Kompaktkameras leiden darunter. Die DSLRs sind erstaunlicherweise besser dran. In ihnen steckt wohl die bessere Akkutechnik. Wir sind im Winter oft stundenlang bei bis zu 25 Grad mit verschiedenen Nikon DSLR Gehäusen Fotografieren draussen. Bislang weitgehend problemlos.
Man liest immer wieder den Tipp die Akkus aus der Kamera zu nehmen, wenn man die Kamera gerade nicht braucht, und die Akkus in die Hosentasche zu stecken. Ich finde das Quark mit Sosse. Wer schon einmal versucht hat bei minus 20 Grad die Handschlaufe abzunehmen und dann den Akkufachdeckel aufzufriemeln macht das nur, wenn es wirklich sein muss. Und wenn dann das schöne Motiv kommt, soll man den Akku in aller Ruhe wieder reinfriemeln. Ich weiss nicht. Ob man dem Traummotiv des wilden Wolfes dann erklären kann, er möge doch bitte noch etwas warten?
Im Ernst: Die Ersatzakkus gehören in die Hosentasche (oder eine Innentasche). Damit hat es sich dann aber.
Mein Extratipp ist hier ein Umhängebeutel, den ich mir aus Fleecestoff selber genäht habe. In diesem sind die Ersatzakkus drin. Der Beutel kommt unter die innere Fleecejacke. Die leeren Akkus kommen in den Bauchgurt. Als Bauchgurt habe ich meistens einen ThinkTank um. Der lässt sich so weit einstellen, dass er auch über dicken Winterjacken oder dem Overall getragen werden kann.
Erstaunlicherweise sind die Akkus der DSLRs übrigens relativ kälteunempfindlich. Die neuen Nikon DSLRs können – mit Originalakkus – bei minus 10 bis minus 20 Grad im Reportageeinsatz erfahrungsgemäss 3 Stunden und zwischen 500 und 1000 Aufnahmen durchhalten. Wohlgemerkt ohne internen Blitz und mit allen Monitorsparoptionen!
Für die Kompaktkameras ist es schwieriger. Entweder immer wieder gleich in die Hosentasche – was aber ein elendes Gefriemel ist – oder ständig den kalten Akku gegen den angewärmten aus der Hosentasche tauschen, was keine Freude macht.
3. Das Elektronikproblem
Auch die Kameraelektronik reagiert auf die Kälte. Da der Sensor “gekühlt” wird, reduziert sich das Bildrauschen. Zudem werden die Bilder mit abnehmender Temperatur tendentiell schärfer. Auch die Farben blühen unter tiefen Temperaturen auf. Abhilfe schafft RAW. Hier lässt sich im nachhinein am meisten korrigieren.
Also unbedingt in Ruhe ausprobieren, bevor es im Ernstfall drauf ankommt und dann unerwartete Ergebnisse zu Tage treten!
Und wer es einmal richtig in der Polarkälte ausprobieren möchte, darf sich gerne mal zu einer winterlichen Fotosafari anmelden 🙂
Auch Du bist schon mal beim Küssen der Kamera in klirrender Kälte am Gehäuse festgeklebt? Na, dann schreib über dieses Erlebnis im Kommentar.
Über Henning Wüst:
Henning ist vor einigen Jahren nach Schweden ausgewandert und dort – zusammen mit seiner Frau Petra – in den Bereichen Event-, Reportage-, und Tourismusfotografie tätig.
Über das Leben in Lappland, das Fotografieren und die Kälte bloggt er unter www.lapplandblog.eu
Gern gelesen sind auch seine Tweets unter: http://twitter.com/henningwust
2016/02/29 at 18:35
Klaus Klug
Diesen Artikel habe ich gebraucht. Danke!
Was mich sorgt und was noch nicht angesprochen wurde: Was passiert mit den Sensoren und ihren Filterchen, wenn es zu Kondenswasserbildung kommt? Stelle ich mir ziemlich schrecklich vor. Es scheint wohl im wesentlichen auf langsames Herunterkühlen und langsames “Auftauuen” anzukommen – wobei dann wieder die Accus viel Zeit zu Sterben haben, ohne dass ein einziges Bild gemacht worden ist.
Wüste war leichter!
Geplant: Winter im Yellowstone mit Eos 7d und Sony alpha 7R.
Gruß, Klaus
2012/12/20 at 22:55
merkaz
Danke!
höchst informativ und mit viel Liebe und Humor geschrieben.
Da ich mein Hobby aufgrund des Wetters sicherlich nicht einschränken werde, bin ich immer noch viel draußen und langsam kam mir der gedanke von schadhaften auswirkungen auf meine kam..”
Auswirkungen waren bsiher zwar nicht ersichtlich, aber bekanntlich macht die dosis das Gift oder besser gesagt Elektroschrott..
Heute gabs das erste Mal Glatteis auf der Linse..
Hoffe meine sony und mein tamron werden es gut überstehen.
Es ist wohl besser Drinnem das Zoomobjektiv ausgefahren zu lassen, wa?
auch wenn dann mehr Staub rein kann, hab ich dabei ein besseres Gefühl.
Habs diesmal mit Frischhaltefolie wgen Staub und zur Akklimatisierung versucht..
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2010/01/11 at 13:39
Annette
Danke für die Tipps. Hab den link bei kwerfeldein.de gefunden.
Ich war am Wochenende zum ersten Mal bei wirklich kaltem Wetter draußen. Die Bilder waren den Ausflug in die Kälte wert. Aber den “lustigen” Kondenseffekt an Kamera und Objektiv hab ich hinterher auch entdeckt.
Ich hoffe, meine Kamera und mein Objektiv haben es gut überstanden, muss das heute Abend mal überprüfen. Meim nächsten Mal werd ich sie wie von Dir vorgeschlagen, erst mal halbwarm zwischenlagern.
2010/01/11 at 22:08
Olaf Bathke
@Annette: Hab mal keine Sorge, so gefährlich ist es nicht, wenn mal Feuchtigkeit sich niederschlägt.
2010/01/09 at 13:41
Zacharie Scheurer
Hallo!
Danke für die ganzen tipps! Mit der kälte hebe ich erst seit weniger Zeit zu kämpfen, dank dem plötzlichem kälteeinbruch hier in Paris. Nun ja, meine d700 hat bei -15 Grad keine probleme, anders sieht es mit meinem 70-200 und den 24-70 aus. Zommen ist nicht mehr möglich, ist der grund dafür das “Schmierfett” im Objektif das gefriert und nicht gleichmässig wieder auftaut?
Danke für Eure Tipps!
Lg,
Zacharie Scheurer aus dem zzt eisigen Paris
2010/01/09 at 22:11
Olaf Bathke
@Zacharie: Es wäre m.E. nicht sehr fachmännisch darauf etwas zu antworten. So ein Objektiv ist ziemlich komplex.Und Schmierfett dürfte es wohl kaum sein. Da müßtest Du Dein Objektiv mal in einer Werkstatt vorstellen.
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2009/11/26 at 18:37
Fotograaf Stefan
Hallo, als erstes Vielen Dank für dieses Forum.
Zum Ersten, Probleme bei Kälte kenn ich Angeschlagenes Objektiv usw.
Das Problem mit den Batterien löse ich so indem ich ein bis zwei Paar zum wechseln mitnehme und diese dann wenn Signal Batteriewechsel erscheint in die warme Hosentasche stecke und tausche im Wechsel so gegeneinander aus.
Zum Zweiten möchte ich ein anderes Problem aufwerfen für welches ich noch nicht die optimale Lösung habe.
Mein Problem sind Aufnahmen am Strand, der Sand ist der Tod für die Kamera.
Habt ihr hiefür Tipps????
Danke und liebe Grüße…
2009/11/26 at 22:31
Olaf Bathke
@Stefan: Sei herzlich willkommen hier in diesem Blog.
2009/11/25 at 16:38
Eike B.
Ich hab bis jetzt nur Probleme mit den Akkus gehabt. Die hielten bei -25 Grad in Nordschweden immer nur kurze Zeit. Jedoch half es meist sie einfach ein wenig am Körper wieder aufzuwäremn um ihnen noch wieder Bilder entlocken zu können.
Bezüglich Kondensation hatte ich bisher wenig Problem, obwohl ich eher etwas unvorsichtig war, was das anbelangt. Vielleicht liegt das auch einfach daran, dass ich noch mit einer etwas betakten plastik EOS 300D durch die Gegend laufe.
Veile Grüße
Eike
2009/11/26 at 22:32
Olaf Bathke
@Eike: Vielen Dank für Deine Hinweise. Die ergänzen den Artikel….
2009/11/25 at 13:43
Martin Hülle - Blog
Aus eigener Erfahrung bei Wintertouren in Skandinavien und Ski-Expeditionen in Grönland kann ich die geschilderten “Probleme” nur bestätigen. Auch ich hatte schon Kondenswasser in den Objektiven zwischen den Linsen, was enorm viel Zeit brauchte, um wieder zu verschwinden …
Noch ein Tipp zu den Akkuproblemen:
Wer die Möglichkeit hat, der sollte an seiner DSLR einen “Hochformatgriff” nutzen, der auch den Einsatz normaler AA-Batterien bzw. Akkus zulässt. Meiner Erfahrung nach sind AA-Lithium-Batterien oder die hervorragenden Sanyo Eneloop Akkus den Standard-Kameraakkus, vor allem auch bei Kälte, überlegen.
Ich habe beste Ergebnisse (sprich lange Laufzeit) mit 8 Eneloop Akkus in meiner Nikon D300 erzielt. Zudem sind die Sanyo Akkus natürlich wiederaufladbar und daher umweltfreundlicher als die sonstige AA-Lithium-Alternative!
2009/11/26 at 22:33
Olaf Bathke
@Martin: Auch Dir herzlichen Dank fürs Teilen.
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